Ursprünglich sollte dies ein Beitrag werden, bei dem es um die Frage geht, ob Programmierung unbedingt ein Bestandteil der Schulausbildung sein muss oder ob digitale Kompetenz auch ohne sie auskommt. Zwischendurch dann mal drüber geschlafen, Diskussionen geführt, wieder drüber geschlafen, gelesen und letztendlich sind Ideen entstanden, was Lernen für die Zukunft – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – beinhalten muss. Weitestgehend unabhängig vom Alter der Lernenden.

Immer wieder verfolge ich Diskussionen, in denen darauf hingewiesen wird, dass digitale Bildung das A und O für unsere Zukunft ist. Häufig wird dabei darauf hingewiesen, dass das Erlernen einer Programmiersprache unabdingbar für das Verständnis des digital unterstützten Lebens sein muss. Dieser Aussage stimme ich nur bedingt zu. Es ist durchaus so, dass wir in Zukunft immer mehr Menschen benötigen, die ein umfangreiches Wissen in den MINT-Fächern mitbringen. Und Informatik ist aktuell und in naher Zukunft sicherlich die Wissenschaft, die am meisten Arbeitsplätze relevant sein wird. Mindestens genauso wichtig ist es jedoch, dass sachliche Kommunikation vermittelt wird.

Warum sachliche Kommunikation

Es wird immer Menschen geben, die vor eine nahezu unüberwindbare Hürde gestellt werden, wenn sie logisch, abstrakt denken müssen. Diese haben dafür andere Stärken, die zumeist eher im Bereich der Empathie zu finden sind. Die „Techniker“ müssen jedoch genau diese Gruppe mitnehmen. Das können sie nur, wenn ein reger, offener und sachlicher Austausch besteht. Frust und Abwehrhaltung für eine technisch orientierte Zukunft kann nur dann vermieden werden, wenn sie alle verstanden und mitgenommen fühlen. Die Angst etwas falsch zu machen wird durch diese Produkte weitestgehend eliminiert. Raten Sie mal, warum ein iPhone oder iPad besonders bei Nicht-Tekkies so beliebt ist.

Das Modell der zwei Gehirnhälften

Ursprünglich durch das Modell der zwei Hirnhälften beschrieben, haben die Menschen unterschiedliche Stärken und Schwächen. Linkshirnige sind logisch, abstrakt und analytisch und rechtshirn-dominante bildhaft, gefühlsbetont und schöpferisch. Bei jedem Menschen sind die Fähigkeiten unterschiedlich ausgeprägt. Und selbst wenn dieses Modell der klaren Trennung zwischen rechts und links als widerlegt gilt, dieses Muster der rationalen und emotionalen Menschen gilt weiterhin. Je besser die Vernetzung, desto besser die Denkleistung.

Welche Hirnhälfte dominiert bei Ihnen? Hier ein Test: http://braintest.sommer-sommer.com/de/index.html

Worum sollte es bei digitaler Kompetenz wirklich gehen?

Digitale Geräte und Medien sind in der Zukunft, und auch schon jetzt, Werkzeuge im täglichen Bedarf. Dabei geht es nicht nur darin, digitale Mittel zu benutzen, sondern darum, diese sinnvoll einzusetzen und digitale Geräte nicht nur als Daddelkisten zu begreifen.

Es fängt schon damit an, dass es zwar Google gibt, viele Menschen jedoch nicht in der Lage sind, sinnvolle und belastbare Ergebnisse aus ihren Suchanfragen zu generieren. Und schon gar nicht in einem angemessenen Zeitraum. Zumal Alternativen zu Google häufig nicht bekannt sind. Digitale Kompetenz ist in diesem Fall kein technisches Problem, da es um Sprachkompetenz geht, denn es stellt sich die Frage: „Welche Begriffe helfen mir ein möglichst optimales Ergebnis zu ermitteln?“ Dass es Möglichkeiten gibt die Suche durch Operatoren zu verfeinern ist nett. Aber ganz ehrlich, dafür gibt es auch die erweiterte Suche.

(Digitale) Kommunikation

Digitale Bildung muss Menschen auch befähigen, angemessen und respektvoll zu kommunizieren. Die Anforderungen in sozialen Netzwerken mit anderen in Kontakt zu treten sind anders, als wenn wir uns direkt gegenüber stehen. Es heißt auch, mit sogenannter Hatespeech umgehen zu können, so dass diese ins Leere läuft. Denn diese kann nur mächtig werden, wenn sie sich durch Unwissenheit aufschaukelt. Manchmal entsteht sie nur deshalb, weil sich irgendjemand nicht bewusst darüber ist, was seine Aussage in Sozialen Medien bewirkt. Der Mensch muss lernen, wie mit digitalen Medien sinnvoll und angemessen umgegangen werden muss.

Oft sind es auch die Logiker, die schnell einmal unwirsch werden, wenn sie nicht verstanden werden, was häufig durch geringere Ressourcen an Empathie noch verstärkt wird. Diese Eigenschaft ist wiederum eher eine Stärke der „Anderen“, die sich nunmehr noch eher auf den Schlips getreten fühlen.

Anforderungen an Lösungen

Computer, Tablets oder Smartphones sind wie Schweizer Taschenmesser. Sie können viele Aufgaben erledigen, wir müssen jedoch wissen, welche Anforderungen eine Aufgabe an uns stellt und diese bewerten können, um festzulegen, welche Tools uns optimal bei der Lösung der gestellten Aufgabe unterstützen. Wir müssen nicht verstehen, wie eine App genau funktioniert. Das schadet zwar nicht, helfen tut es aber auch nicht. Wer weiß heutzutage noch wie ein Auto, ein Fernseher oder einfache Dinge wie ein Herd oder Kühlschrank genau funktionieren? Sicherlich die wenigsten. Und trotzdem können wir sie bedienen. Die Anforderung an Geräte und Software ist, dass sie von jedem, für den sie von Nutzen sein soll, auch zu bedienen sind.

Lösungen entwickeln

Natürlich werden auch immer mehr Menschen gesucht, die die Fähigkeit besitzen, neue Produkte zu entwickeln und zu realisieren. Es reicht nicht aus nur Programmierer zu haben, die ihre Ideen in eine Software umsetzen. Ideen und Visionen sind nicht unbedingt erlernbar. Diese jedoch umzusetzen Bedarf es verschiedenster Fähigkeiten, die selten durch eine Person abgedeckt werden können. Es gilt Teams zu bilden, die ihre persönlichen Stärken in das Ergebnis einfließen lassen.

Zufriedenheit und Leistung

Das beste Leben führt, wer mit dem was er ist und tut die größte Zufriedenheit oder gar Glück erzielt. Wer seine Fähigkeiten einbringen kann, wird mit dem was er tut, deutlich zufriedener sein. Verlangen Sie von einem Politiker, Topmanager oder Musiker nicht, dass er Software entwickelt oder betriebliche Auswertungen analysiert. Genauso wird ein Programmierer, Buchhalter oder Controller Magenschmerzen bekommen, wenn sie eine Rede schreiben und bestenfalls auch noch halten sollen. Wenn wir Programmierung zur benoteten Pflicht machen, ist es ungefähr genauso, als wenn wir wieder Gesangsnoten einführen würden. Solange Projekte wie Calliope mini zum spielerischen Einstieg für Grundschüler nutzen, können wir sicherlich neue „Interessenten“ für den MINT-Bereich gewinnen.

Natürlich findet das Denken nicht nur auf einer Seite des Hirns statt. Es geht um die Dominanz. Erfolgreiche Teambildung beruht auf diesen Erkenntnissen.

Ein Gedankenspiel

Bislang gilt häufig, Logik durch das Lösen von Gleichungen mit  vielen Unbekannten einzutrichtern oder Formeln pauken zu lassen, die nahezu niemand im realen Leben benötigt. Stellen wir die Aufgabe doch anders. Es wird in Gruppen eine kleine App entwickelt, die genau dieses ermöglicht. Es werden sich Schüler finden, die heiß darauf sind, die mathematische Lösung entwickeln zu können. Andere Schüler werden ihren Beitrag eher in dem Entwurf und der Gestaltung einer ansprechenden Oberfläche und Benutzerführung finden. So etwas muss nicht auf die Mathematik beschränkt sein. Es kann sich genauso gut um eine App für Geschichte, Sprachen usw. handeln.

Jeder in der Gruppe wird etwas mitnehmen sowie eigene Stärken entdecken und Schwächen trainieren können. Und das sogar mit einem Ergebnis, das dem des realen Lebens nahe kommt. Im Umgang mit den Werkzeugen, die sie im zukünftigen Leben begleiten. Dabei wird gelernt, wie diese Werkzeuge funktionieren und logische Zusammenhänge erarbeitet. Das Team mit seinen unterschiedlichen Stärken macht den Erfolg.

Dieses kleine Gedankenspiel zeigt schon viele der benötigten Fähigkeiten, oder neudeutsch Skills, auf. Lernen wird quasi mehrdimensional und ich denke, dass es auch über verschiedene Altersgruppen hinweg so funktionieren kann. Außerdem, so neu ist dieser Gedanke auch nicht und Finnland hat mit dem Schuljahr 2016/17 aus ähnlichen Überlegungen heraus sein Schulmodell neu gestaltet. Auch dort hat man sich die Frage gestellt: „Welche Fähigkeiten benötige ich in der (nahen) Zukunft?“

Fazit

Digitale Kompetenzen sind zu fördern. Nicht nur in der Schule, sondern soweit wir es derzeit beurteilen können, ein Leben lang. Was heute Spezialwissen ist, wird in wenigen Jahren zum Allgemeinwissen. Wer jetzt nicht auf den anrollenden Zug aufspringt, wird über lange Zeit den Anschluss verlieren. Dabei sind Schwächen zu stärken, jedoch darf es nicht darin enden, dass jeder Mensch zum Programmierer gemacht wird, da das zu Frust und Abneigung führt und somit keiner Lösung zuträglich wird.

Neue Produkte sind zwar technisch basiert, müssen jedoch so gestaltet sein, dass auch diejenigen, denen das logisch-analytische Denken nicht in die Wiege gelegt wurde, verstehen wie sie funktionieren. Sicher werden etliche von ihnen an der Gestaltung mitwirken und vermutlich sogar diejenigen sein, die die erfolgreichsten digitalen Lösungen auf den Markt bringen, da Visionäre zumeist rechtshirn-dominant sind. Ökonomie und Ökologie sind zudem Themen, ohne die wir keine Digitalisierung benötigen.

Wir brauchen eine Bildung die Teamarbeit und moderne Technologien mit hoher Priorität versieht, damit Lösungen mit hoher Wertschöpfung für die Menschheit entstehen. Ohne eine Vermittlung von Werten kann das nicht geschehen.

Und außerdem: Neugierde, Neugierde und nochmals Neugierde fördern. Denn sie ist es, die unsere Motivation am Lernen aufrecht erhält.

Fotonachweis

Brad Flickinger / flickr.com (CC by 2.0)

1 Kommentar

  1. Helmut Karas

    Gute Zusammenfassung, danke für die Perspektive. Die Fähigkeit gut miteinander zu arbeiten, soziale Kompetenz, ist bei wachsendem Wettbewerbsdruck extrem wichtig. Auch die Fokussierung auf die Bedürfnisse der KundInnen erfordert Empathie und Sozialverhalten.
    Im Unternehmen sehe ich Gestaltungsmöglichkeiten, das soziale Verhalten mit regelmäßigen kurzen Erlebnisworkshops zu digitalen Neuerungen einfach mitzunehmen.
    Wertschätzung und Feedbackkultur wird gelernt, wenn man das in den Workshops zu Ritualen macht. Dann Bewusstsein darauf richten, Erkenntnisse feiern, fertig.

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